WISSEN- NEBENSCHILDDRÜSEN
Allgemeines über die Nebenschilddrüsen
Die Nebenschilddrüsen (lat.: Glandulae parathyroideae; Epithelkörperchen; zwei linsengroße Organpaare) sind hormonproduzierende Drüsen, die für den Knochen und Calcium-Stoffwechsel zuständig sind.
Sie werden also zu den „endokrinen” Organen gezählt.
Lage
Sie sind nahe der Hinterfläche der Schilddrüse an der Schilddrüsenkapsel bzw. im Gewebe um die Schilddrüse gelegen.
Aufgabe
Der Calcium- und Phosphathaushalt wird in enger Korrelation mit dem D-Hormon (Vitamin D) geregelt. PTH mobilisiert Calcium aus dem Knochen durch Aktivierung der im Knochen gelegenen Osteoklasten und steigert dessen tubuläre Rückresorption in den Nieren. Normalerweise stehen PTH und Calcium in einem Rückkoppelungsmechanismus, d.h., ein hohes Serumkalzium bremst die PTH-Sekretion. Sind PTH und Calcium gleichsinnig verändert, so liegt meist eine Erkrankung der Nebenschilddrüsen vor (beim Hypoparathyreoidismus erniedrigt, beim Hyperparathyreoidismus erhöht)
Zurück zum SeitenanfangUntersuchungen der Nebenschilddrüse
Bei laborchemischen Routineuntersuchungen wird als „Zufallsbefund“ ein erhöhtes Calcium (=Kalzium) beobachtet. Ein „zufällig“ entdeckter erhöhter Calzium-Speigel kann erster Hinweis auf eine Nebenschilddrüsenüberfunktion sein.
Bei erhöht gemessenen „Calcium“ ist immer eine zweite Blutuntersuchung notwendig, um den häufig auftretenden „Laborfehler“ auszuschließen. Vorher ist eine genaue „Medikamentenanamnese“ notwendig d.h. es ist genau zu klären, ob Calzium „erhöhende“ Medikamente (z. B. Calciumbrausetabletten; Calciumkautabletten, VitaminD; Blutdruckregulierende Thiazid enthaltende Medikamente (haben meist ein "plus" oder ein "HCT" im Namen) regelmäßig eingenommen werden. Ist dies der Fall, müssen diese Medikamente pausiert, bzw. Thiazid-diuretika in Thiazid freie Blutdruck senkende Medikamente umgestellt werden.
Ist die „Medikamentenanamnese“ negativ, werden im Rahmen der zweiten Blutuntersuchung bestimmt:
- Calzium
- Phosphat
- Parathormon (PTH
- 25(OH)D3 = VitaminD
- Albumin
- Kreatinin
- Calziumausscheidung im 24h-Sammenharn (nicht angesäuert)
Weitere Untersuchungen wie Ultraschall und Nebenschilddrüsenszintigrafie (MIBI-Szintigraphie) sind Spezialuntersuchungen und können eine Nebenschilddrüsen-Funktionsstörung NICHT beweisen bzw. ausschließen.
Sie werden zur Lokalisation einer zur Überfunktion-neigenden (vergrößerten) Nebenschilddrüse benötigt und sind zur Planung einer Operation (beidseitige oder einseitige, „gezielte“ Exploration) hilfreich.
Ihren Einsatz sollte erst die/der behandelnde ChirurgIn bzw. Endokrinologe (in Rücksprache mit der/dem ChirugIn) nach eindeutigem, laborchemischen Nachweis einer Nebenschilddrüsenüberfunktion veranlassen. (Vermeidung unnötiger radiologischer Untersuchungen)
Ultraschall oder MIBI-Szintigraphie der Nebenschilddrüsenregion dienen auch NICHT zur Sicherung einer nicht eindeutigen laborchemischen Diagnose einer Nebenschilddrüsenerkrankung.
Computertomoraphie (CT) oder Megnatresonanztomographie (MRT) zur Lokalisation bzw. stufenweise Blutabnahme aus der Vena jugularis mit Bestimmung von Parathormon (Regionalisierung) sind erst vor Zweiteingriffen notwendig und werden mit dem behandelnden Chirurg geplant!
Erkrankungen der Nebenschilddrüse
Wichtigste Erkrankung der Nebenschilddrüse ist eine Überfunktion. Es liegt zuviel Nebenschilddrüsenhormon im Blut vor. Sie wird als Hyperparathyreoidismus (HPT) bezeichnet.
Formen der Nebenschilddrüsenüberfunktion:
- Primärer Hyperparathyreoidismus (PHPT): Überfunktion der Nebenschilddrüsen durch Vergrößerung/Vermehrung der Nebenschilddrüsenzellen ohne physiologischen Anlass
- reaktiver Hyperparathyreoidismus (RHPT): Bei schweren Nierenerkrankungen (meist Dialysepatienten) ausgelöste Überfunktion durch chronischen Calcium-Mangel
Seltener kommen Unterfunktionen der Nebenschilddrüse vor (Hypoparathyreoidismus), diese sind in der Regel iatrogen, z. B. nach Schilddrüsenoperationen oder zu hoher Zufuhr von Vitamin-D. Autoimmunerkrankungen können ebenfalls einen Hypoparathyreodismus auslösen. Symptom ist ein Mangel an Nebenschilddrüsenhormon (Parathormon), welcher zu einer Hypokalzämie mit Krämpfen und Herzversagen führen kann.
Zurück zum SeitenanfangUnterfunktion der Nebenschilddrüse = Hypoparathyreoidismus
Er ist meist chirurgisch-iatrogen bedingt, indem bei Kropfoperationen die Blutversorgung der Nebenschilddrüsen verletzt wird oder (namentlich bei atypischer Lokalisation) Nebenschilddrüsen entfernt werden. Kongenitaler, idiopathischer Hypoparathyreoidismus ist sehr selten.
Symptome
Beim akuten (z.B. postoperativen) Hypoparathyreoidismus steht die „Tetanie” (=Krämpfe) im Vordergrund: Parästhesien (Kribbeln) in Händen und Füßen, perioral, schmerzhafte Muskelkrämpfe (typische Pfötchen- oder Geburtshelfer-Stellung der Hände, Karpfenmund), Angst, Atemnot mit Verkrampfung Atemmuskulatur, Durchfälle, Bauchschmerzen, neuromuskuläre Übererregbarkeit (positive Chvostek- und Trousseau-Zeichen). Bei längerdauerndem Hypoparathyreoidismus kann es zu epileptischen Anfällen, Veränderungen von Haut und Haaren, Fingernägeln und Linsen (Katarakt) kommen.
Diagnose
Die Diagnose des Hypoparathyreoidismus wird durch die Hypokalzämie, Hyperphosphatämie, verlängerte ST-Strecken und sehr kurze Wellen im EKG nahegelegt und durch den deutlich erniedrigten Parathormonspiegel (unter 10 pg/ml) im Blut bewiesen.
Therapie
Dauertherapie bei chronischem Hypoparathyreoidismus: Calciumtabletten in Kombination mit Vitamin D3 oder 1,25-Dihydroxycholecalciferol
Überfunktion der Nebenschilddrüse = Hyperparathyreoidismus
Primärer Hyperparathyreoidismus (PHPT)
Der primäre Hyperparathyreoidismus (PHPT) ist ein Zustand vermehrter Sekretion von Nebenschilddrüsenhormon (Parathormon) ohne erkennbaren physiologischen Auslöser (autonome Überfunktion). Das Leitsymptom ist der erhöhte Calcium-Spiegel im Blut (=Hyperkalzämie) bei erhöhtem Parathormon-Spiegel.
Die häufigste Ursache für die Überproduktion von Parathormon und die Hyperkalzämie ist eine einzeln vergrößerte Drüse (85%; Nebenschilddrüsen-Adenom) seltener (ca. 5%) mehrerer Adenome. Bei 10% besteht eine Vergößerung aller 4 drüsen (diffuse Parathyreoideahyperplasie). Über 99% sind die Tumore der Nebenschilddrüse gutartig. Ein Parathyreoideakarzinom wird bei weniger wie 1% der Erkrankten beobachtet.
Bei familiärem Vorkommen und im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) können ein oder mehrere Epithelkörperchen erkrankt sein:
- MEN I: Parathyreoideahyperplasie + endokriner Pankreastumor + Hypophysentumor (Wermer Syndrom)
- MEN II: medulläres Schilddrüsenkarzinom (Sipple-Syndrom). Parathyreoideahyperplasie + Phäochromozytom
Symptome
Der primäre Hyperparathyreoidismus (PHPT) ist eine meist chronische Erkrankung, die unerkannt über Jahre verlaufen kann und nicht selten zu organischen Sekundärmanifestationen (Schädigungen an verschiedenen Organsystemen) führt.
Das klinische Bild des PHPT ist sehr vielfältig. Neben den klassischen Verläufen mit Nieren-, Knochen oder Magen-Darm-Manifestationen (symptomatische Patienten) werden immer häufiger Patienten mit weniger ausgeprägten Symptomen (Bluthochdruck, Knochenschwund (Osteopenie, Osteoporose), Hyperkalzämiesyndrom) beobachtet, sogenannte „minimal symptomatische” PatientInnen). Zunehmend fehlt abgesehen vom typischen laborchemischen Befund jegliche klinische Manifestation (asymptomatischer PHPT).
Entsprechend wird das Symptomenbild von diesen Manifestationen geprägt:
- Renale Manifestation (=Nierenbeteiligung):
Die Hyperkalzämie (erhöhter Calciumgehalt des Blutes) und Hyperkalzurie (erhöhte Ausscheidung von Calcium im Harn) haben Nierensteine (Nephrolithiasis) und Nierenverklakungen (Nephrokalzinose) und Nierenfunktionseinschräkung durch Nierenschädigung zur Folge (häufig unbemerkt!>.
- Ossäre Manifestationen =Knochenbeteiligung)
Die klassische Form des primären Hyperparathyreoidismus war die Knochenzystenbildung (Osteodystrophia fibrosa cystica generalisata von Recklinghausen) deren Vollbild mit Knochenbrüchen heute dank früherer Diagnosestellung selten geworden ist. Die generelle Demineralisierung des Skelettes = Knochenschwund (Osteopenie, Osteoporose) ist über lange Zeit asymptomatisch und demnach unbemerkt.
- Neuromuskuläre Symptome (=Beteiligung des Nervensystems und der Muskulatur
Zeichen sind abnorme Ermüdbarkeit und Muskelschwäche. Psychische Veränderungen wie Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit, Affektlabilität und Neigung zu Depressionen gehören ebenfalls zu dieser Symptomengruppe. Neueste Studien zeigen, dass vorallem diese Symptome nicht bemerkt werden (oft schleichend), aber sehr oft vorhanden sind.
- Gastrointestinale Symptome (=Beteiligung des Magen-Darm-Trakts)
Dazu zählen Appetitlosigkeit, Übelkeit und Verstopfung. Möglich sind auch Magengeschwüre (Ulcus) oder Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis)
- Hyperkalzämie-Krise (=extrem hohe Calcium-Spiegel im Blut)
Die akute Hyperkalzämiekrise ist lebensbedrohlich, manifestiert sich durch unstillbares Erbrechen, schwere Dehydratation, Bewußtseinsstörungen bis zum Koma.
Diagnose
Die klinische Diagnose des Hyperparathyreoidismus stützt sich einerseits auf Symtpome (Nieren, Knochen, neuromusklär - siehe oben) andererseits auf Blutuntersuchungen. Die Labordiagnostik des Hyperparathyreoidismus besteht im Feststellen von Hyperkalzämie, Hypophosphatämie (Niedriger Phosphatspiegel - außer bei Niereninsuffizienz!) und erhöhtem Parathormonspiegel im Blut. Erhöhte alkalische Phosphatase und erhöhte Calciumausscheidung (Hyperkalziurie) sind gelegentlich weitere nützliche Parameter, ebenso die verkürzte QT-Zeit im EKG und die erhöhte Ausscheidung von cAMP (zyklischem Adenosinmonophosphat) im Urin. Bestimmte Zeichen im Röntgen (generalisierte Demineralisation und subperiostale Resorption besonders an den Fingerknochen = Phalangen) sind zusätzliche Stützen der Diagnose.
Differentialdiagnostisch ist wichtig, dass eine Hyperkalzämie auch durch andere Ursachen (z. B.: maligne Tumoren mit Knochenmetastasen, Hyperthyreosen, Sarkoidose, akute Niereninsuffizienz, Steroidentzug und medikamentöse Vitamin-D-Intoxikation; Calciumzufuhr) verursacht werden kann.
Therapie
Um chronische Schädigungen verschiedener Organe (Knochen, Niere etc.) zu vermeiden, setzt sich zunehmend die Meinung durch, dass jeder laborchemisch gesicherter PHPT operativ behandelt werden sollte
Ausschließlich eine chirurgische Entfernung des hyperaktiven Nebenschilddrüsengewebes führt zur Normalisierung der parathormon-induzierten Störungen des Calciumphosphatstoffwechsels. Zurzeit gibt es keine suffiziente medikamentöse (Langzeit-) Therapie.
Eine Lokalisationsdiagnostik vor der Erstoperation ist bei Wahl des Standardeingriffs (beidseitige Halsexploration) kein absolutes Muss und darf keinesfalls zum Untermauern einer bloßen „Verdachtsdiagnose“ herangezogen werden.
Um die Operation und Ihre Ausdehnung, vor allem „gezielte“ Entnahme einer Drüse, besser planen zu können ist eine Lokalisationsdiagnostik mit Ultraschall (erlaubt neben der Lokalisation auch einen Hinweis auf die Nebenschilddrüsengröße) und eine MIBI-Szintigraphie (mit SPECT-Untersuchung; erlaubt die Lokalisation und durch die Computertomographie die Lokalisation weniger die Größenbestimmung) zu empfehlen!
Bei 90/100 = 90% gelingt eine präoperative Lokalisation durch Ultraschall und/oder MIBI-szintigraphie. Auch bei den 10 Patienten ohne positive Lokalisation liegt eine Nebenschilddrüsenüberfunktion vor
Da es keine nachhaltige medikamentöse Behandlung gibt, ist eine Operation (meist eine bilaterale Halsexploration) auch bei „negativer“ bzw. „ungenauer“ Lokalisation gerechtfertigt.
Das sorgfältige beidseitige Aufsuchen (=bilaterale Halsexploration) mit Mobilisierung beider Schilddrüsenlappen und Darstellung aller vier Nebenschilddrüsen und ihre makroskopische Beurteilung ist (derzeit noch) der Standardeingriff und Garant für den chirurgischen Erfolg (dauernde Wiederherstellung einer Normokalzämie).
Auf eine Routinebiopsie normaler Drüsen wird zur Verhinderung einer dauerhaften postoperativen Unterfunktion der Nebenschilddrüsen verzichtet.
Ein einseitges = minimal invasives (gezieltes) Verfahren kann gewählt werden, wenn präoperativ mit zumindest einem lokalisationsdiagnostischen Verfahren (Tc-99m-Sesta-MIBI Szintigraphie alleine oder in Kombination mit dem Ultraschall) eine „Eindrüsenerkrankung“ nachgewiesen ist und intraoperativ eine biochemische Kontrolle des Operationserfolgs durch einen Parathormon-Schnelltest (intraoperatives-PTH-Monitoring) möglich ist. Unter den beschriebenen Bedingungen hat sich die „gezielte“ Freilegung mit IOPTH-Monitoring als operationstechnische Option etabliert.
Eine genaue Kenntnis der Anatomie sowie ein streng systematisches Vorgehen ermöglicht die Korrektur der Nebenschilddrüsenüberfunktion in zumindest 97% der Fälle.
In unter 1% ist mit einer permanenten Nebenschilddrüsenunterfunktion zu rechnen. Ein persistierender (selten ein rezidivierender) PHPT ist entweder auf eine unzureichende Halsexploration, auf ein Nichterkennen einer Mehrdrüsenerkrankung mit unzureichender Resektion in dieser Situation bzw. auf eine anatomische Lagevariation der Nebenschilddrüse zurückzuführen.
Kann (können) die pathologische(n) Drüse(n) nicht lokalisiert werden, muss eine erweiterte Halsexploration mit Freilegung der Thymusspitzen (Thymus = Organ am oberen Brustkorbeingang), des paratrachealen, paraösophagealen und paralaryngealen Gewebes (Gewebe um Luft- und Speiseröhre und Kehlkopf sowie um die Halsgefäße (Carotisscheide) durchgeführt werden. Selten muss eine Schilddrüsenhäflte zum Ausschluss einer IN der Schilddrüse gelegenen vergrößerten Nebenschilddrüse (Adenom) durchgeführt werden.
Wird ein Adenom im mediastinalen Fettgewebe (Mediastinum = Gewebe zwischen Lunge und Herz) vermutet, wird im Rahmen der erweiterten cervikalen Exploration das Thymusfettgewebe über den Hals (Transzervikal) durch Entfernung des Thymus (Thymektomie) entfernt. Eine Spaltung des Brustbeins(=Sternotomie) zur Exploration des Mediastinums wird erst im Zweiteingriff nach Lokalisationsversuchen durchgeführt. Finden sich vier vergrößerte Epithelkörperchen (Mehrdrüsenerkrankung, primäre Hyperplasie, 12%) wird eine fast vollständige Entfernung der Nebenschilddrüsen (subtotale Parathyreoidektomie) durchgeführt.
Findet man intraoperativ einen mit der Umgebung verbackenen Tumor, besteht der Verdacht auf ein Nebenschilddrüsenkarzinom (selten, unter 1%). Der Tumor wird en bloc mit der adhärenten Schilddrüsenhälfte entfernt und entlang der Vena jugularis interna eine ausgedehnte Lymphknotenbiopsie durchgeführt. Bei Befall wird eine funktionelle (oder modifiziert radikale) Halsdissektion (Entfernung der Lymphknoten im Hals angeschlossen.
Ergebnisse
Die klinische Nachuntersuchung von vorher symptomatischen Patienten erbringt eine völlige Beschwerdefreiheit bei 80%. Die restlichen Patienten klagen trotz saniertem PHPT über Beschwerden aufgrund bereits präoperativ vorhandener irreversibler Organschäden am Knochen und an den Nieren. Aus diesen Gründen ist eine lebenslange laborchemische und klinische Überwachung der PatientInnen notwendig. Einerseits um ein Persistieren bzw. ein Rezidivieren des PHPT frühzeitig zu erkennen, andererseits um eine metachron auftretende multiple endokrine Neoplasie (der PHT wird im Rahmen der MEN 1 [Wermer-Syndrom] sowie im Rahmen einer MEN 2 A [Sipple-Syndrom]) beobachtet- zu diagnostizieren.
Die Prognose des PHT hängt vom Zeitpunkt der Reduktion des hyperaktiven Nebenschilddrüsengewebes auf Normalfunktion ab.
Eine frühe Diagnose und rechtzeitige adäquate Operation ist auch beim minimal symptomatischen und beim asymptomatischen Patienten anzustreben.
Reaktiver Hyperparathyreoidismus (rHPT)
Der sekundäre "reaktive" Hyperparathyreoidismus tritt als Komplikation chronischer Nierenerkrankungen (schwere Niereninsuffizienz, DialysepatientInnen) und langdauernder Knochenbeteiligung (=Osteomalazie) auf, als Folge langdauernder Hypokalzämie und kompensatorischer Reaktion der Nebenschilddrüsen.
Diese Form des sekundären Hyperparathyreoidismus betrifft überwiegend Patienten unter chronischer Hämo- oder Peritonealdialysebehandlung. Sie kann auch erst nach einer erfolgten Nierentransplantation manifest werden.
Abhängig von der Zeitdauer entwickelt die größere Zahl aller Dialysepatienten während der Behandlung einen klinisch bedeutsamen sekundären Hyperparathyreoidismus. In der Regel kann er mit Kalziumzufuhr, Vitamin-D-Metaboliten und phosphatarmer Diät erfolgreich kontrolliert werden. Etwa 5% aller Betroffenen bedürfen der operativen Behandlung. Entsprechend der reaktiven Erkrankung handelt es sich stets um eine Vierdrüsen-Beteiligung mit gelegentlich sehr unterschiedlich stark ausgeprägter Hyperplasie der Nebenschilddrüsen.
Symptome
Die klinischen Auswirkungen eines sekundären Hyperparathyreoidismus manifestieren sich in Form der renalen Osteopathie. Sie äußert sich vornehmlich durch Knochenschmerzen verschiedenster Lokalisation. Durch Ablagerung von Kalziumphosphat kann es zu extraossalen Verkalkungen in Weichteilen, vor allem in periartikulärem Gewebe, und zu verstärkten Gefäßverkalkungen kommen. Besonders beeinträchtigend kann infolge von Kalziumphosphatablagerungen in der Haut ein quälender Juckreiz sein. Im fortgeschrittenen Stadium kann eine generalisierte Myopathie zu schwerer Bewegungsbehinderung führen.
Diagnose
Die Untersuchungen erstrecken sich zunächst auf die gleichen Werte wie bei der Primärerkrankung: Serum-Kalzium, Serum-Phosphat und Parathormon im Serum. Es besteht regulärerweise zunächst eher eine Normokalzämie und infolge der Eliminationsbehinderung eine Hyperphosphatämie. Gleichfalls wegen Abbau- und Ausscheidungsbehinderung ist bei niereninsuffizienten Patienten eine Parathormonerhöhung im Serum eher regulär. Bei Erhöhung über das 10fache der Norm allerdings liegt bereits eine schwere Krankheitsausprägung vor. Im Spätstadium entwickelt sich mit zunehmender Nebenschilddrüsenhyperplasie und Verlust konservativer Therapiewirksamkeit eine Hyperkalzämie. Einen wichtigen Hinweis auf den destruierenden Knochenprozeß liefert die Erhöhung der alkalischen Phosphatase. Röntgenaufnahmen der Hände zeigen typische subperiostale Resorptionszonen an den Radialseiten der Fingermittelphalangen und Akroosteolysen. Ähnliche oder gleichartige Umbauprozesse werden an symptomatischen Skelettabschnitten sichtbar und können sich bis hin zu Spontanfrakturen entwickeln.
Die Operationsindikation wird bestimmt durch die subjektiven und unbeeinflußbaren Beschwerden der Knochenschmerzen und des Pruritus, in Gegenwart von Spontanfrakturen, einer durch Knochenbiopsie nachgewiesenen schweren renalen Osteopathie oder schließlich durch Einsetzen einer Hyperkalzämie.
Therapie
Nach Ausschöpfen aller medikamentöser Maßnahmen (Kalzium. Vitamin D, Kalzimimetikum – Cinacalcet) stellt die Operation eine weitere Therapieoption dar. Folgende chirurgische Therapieoptionen stehen zur Auswahl:
- Die subtotale Parathyreoidektomie mit Resektion von 3 1/2 hyperplastischen Nebenschilddrüsen und Erhaltung eines Teilrestes von mindestens Normaldrüsengröße in regulärer Lokalisation.
- Totale Parathyreoidektomie, also vollständige Entfernung und gleichzeitige Autotransplantation von 20 1x1x3 mm großen Nebenschilddrüsenstückchen in die Muskulatur eines Unterarmes.
Zur Entfernung „überzähliger“ Drüsen wird bei jeder Operation auch das Fettgewebe hinter dem Brustbein entfernt (= transzervikale Thymektomie)
Bei jeder Operation wird Nebenschilddrüsengewebe durch ein spezielles Verfahren eingefroren (Kryopräservation), um bei ev. Unterfunktion des am Hals verbliebenen Nebenschilddrüsenrests oder des Transplantats dem Patienten sein eigenes Nebenschilddrüsengewebes zurück transplantieren zu können (verzögerte Parathyreoidea-Autotransplantation).
Das erste Verfahren geht davon aus, daß der an regulärer Stelle verbliebene kleine Nebenschilddrüsenrest in seiner Funktion therapeutisch unter der fortgesetzten Dialyse wieder kontrollierbar ist und nach angestrebter und erfolgreicher Nierentransplantation ohnehin eine normale Regulation einsetzt.
Das radikalere Verfahren mit Autotransplantation berücksichtigt das grundsätzlich bestehende Rezidivrisiko und möchte ein Erfordernis erneuter Halsoperation ausschließen.
Die Rezidivhyperplasie im Transplantat am Unterarm kann leicht zugängig in Lokalanästhesie einer Reduktion zugeführt werden.
Nach Operation - gleich welcher Technik - ist eine ausreichend hohe Kalzium- und auch Vitamin-D-Supplementierung erforderlich, einerseits bis zur sicheren Funktion von Drüsenrest oder Transplantat und andererseits wegen heftig einsetzender ossärer Remineralisation.