WISSEN - NEUROENDOKRINE NEOPLASIEN/TUMOREN IM MAGEN-DARM-TRAKT
Allgemeines zur Neuroendokrinen Neoplasie (NEN) – Neuroendokriner Tumor (NET)
Jahrelang unentdeckt, oft fehldiagnostiziert und meist erst im fortgeschrittenen Stadium nachgewiesen: Neuroendokrine Tumoren (NET; Neuroendokrine Neoplasien [NEN]) sind eine Herausforderung für ÄrztInnen und PatientInnen.
Durch überwiegend untypische nicht selten fehlende Symptome, sind sie eine diagnostische und therapeutische Herausforderung.
Wege bis zur Diagnose können für PatientInnen „mühsam“ sein. Sie „irren“ oft länger durch die Institutionen des Gesundheitssystems, bis die richtige Diagnose feststeht und sie einer individuellen Therapie zugeführt werden können! Im Durchschnitt vergehen bis zur Diagnose 6 wertvolle Jahre.
Diese Tumore wurden früher „Karzinoide“ genannt!
„Neuroendokrine Neoplasien (NENs)“ sind Tumoren des so genannten neuroendokrinen Systems. Sie sind durch ihre niedrige Bösartigkeit gekennzeichnet, d.h. sie sind aufgrund des relativ hohen Differenzierungsgrades der Tumorzellen (G1, G2) durch ein langsames Wachstum sowie eine gute Prognose charakterisiert. Es gibt aber auch Tumore mit schlechter Prognose (G3; Neuroendokrines Carzinom [NEC]).
Die NEN/NET entwickelt sich aus „neuroendokrine Zellen“ (Stammzelle). Diese haben die Fähigkeit zur Hormonproduktion (endokrinen Zellen) und haben aber auch Eigenschaften von Nervenzellen, die für die Reizaufnahme sowie die Weitergabe und Verarbeitung von Nervenimpulsen (Erregungen) zuständig sind.
NETs sind unter der Schleimhaut (submukös) gelegene Tumoren, die überall dort entstehen können, wo neuroendokrine Zellen vorhanden sind. Im Laufe der Tumorprogression wachsen die Tumore in tiefere Darmwandanteile. Im weiteren Verlauf entstehen zunächst lymphogene und später auch hämatogene Metastasen (Tochtergeschwülste). Sehr häufig sind beim NET die Metastasen größer als der Primärtumor.
Neuroendokrine Neoplasien/Tumoren sind durch den immunhistochemischen Nachweis von Chromogranin A und/oder Synaptophysin in den Tumorzellen charakterisiert.
Unabhängig von ihrem biologischen Verhalten (gutartiger/bösartiger Verlauf) nennt man Tumore, die ein oder mehrere der bekannten gastrointestinalen Hormone produzieren, diese jedoch nicht in die Blutbahn sezernieren, als „hormoninaktive neuroendokrine Tumore“, solche, welche die produzierten Hormone auch in die Blutbahn ausschütten und klassische, endokrinen Symptome auslösen als „hormonaktive neuroendokrine Tumore“.
Sie können „sporadisch“ oder (synchron, metachron) mit anderen endokrinen Tumoren im Rahmen der („familiären“) Multiplen Endokrinen Neoplasie 1 (= Wermer Syndrom) auftreten.
Häufigkeit und Lokalisation
Die „Neuroendokrine Neoplasie“ des Magen-Darmtrakts und der Bauchspeicheldrüse ist eine seltene Erkrankung. 2.39 pro 100 000 Einwohner pro Jahr erkranken an diesem Tumor in Österreich.
Die meisten Tumoren haben ihren Sitz im Magen (23%) gefolgt von Wurmfortsatz (Appendix; 21%), Dünndarm (15%%), Enddarm (15%), Bauchspeicheldrüse (12%), Dickdarm (7%) oder im Zwölffinger-Darm (6%).
NET können auch in der Lunge und im Thymus auftreten.
Zurück zum SeitenanfangBehandlung/Therapie
Die selektive Entfernung (operativ oder endoskopisch) des neuroendokrinen hormonaktiven oder inaktiven Tumors bei möglichst geringer Morbidität ist die Therapie der Wahl.
Das therapeutische Vorgehen (endoskopisch oder chirurgisch) richtet sich nach Größe, Lokalisation und dem Differenzierungsgrad (Grading) des Tumors.
Sofern mit geringer Komplikationsrate möglich, steht im Vordergrund der Therapie des NET G1 und G2 die (möglichst vollständigen) Tumorentfernung mit (diagnostischer und/oder therapeutischer) Lymphadenektomie bzw. der Entfernung von Fernmetastasen. Zusätzlich sind die Beeinflussung des weiteren Tumorwachstums und die Kontrolle der hormonassoziierten Symptome allgemeine Therapieprinzipien. Im Gegensatz zur Therapie von Karzinomen, hat auch eine Tumoreduktion (chirurgisches Debulking) einen hohen Stellenwert.
Um eine „Karzinoidkrise“ (lebensbedrohliche Hypotonie, Bronchospasmus) zu vermeiden, müssen PatientInnen mit bekanntem hormonsezernierenden Tumor vor einer Operation oder Embolisierung ausreichend mit Somatostatin-Analogen (Sandostatin „Lar“®, Somatulin Autogel®) vorbehandelt werden.
Nebenwirkungen einer Langzeittherapie sind Steatorrhoen durch Hemmung der exokrinen Pankreasfunktion, Störungen des Glucosestoffwechsels und eine vermehrte Gallensteinbildung durch Hemmung der Gallenblasenkontraktion. Aus diesen Gründen sollte im Rahmen der chirurgischen Therapie des Primärtumors eine Cholezystektomie durchgeführt werden.
Eine Früherkennung ist bei NET entscheidend für den Therapieerfolg. Viele Fachdisziplinen bemühen sich gemeinsam, neue Diagnose- und zielgerichtete Therapiekonzepte zu erarbeiten.
Voraussetzung zur Verbesserung der Diagnostik und des Therapiemanagements, sind ein besseres Verständnis der Erkrankung, ihrer Entstehung und Therapie. Therapiepläne müssen an die individueller unterschiede Situation des PatientInnen angepasst werden.